Informationen zu Blogbuch
Ergänzend zur Printausgabe der PHOTONEWS starteten wir Ende 2011 einen Blog zum Themenschwerpunkt Fotobuch mit Rezensionen, Interviews und Debatten. PHOTONEWS Blogbuch wird von dem Fotobuch-Experten Peter Lindhorst betreut.
Input Blogbuch
Aktuelles aus dem Blogbuch
Debatten
Das Nächste bitte!
Volker Renner über die Passion des Büchermachens, schöne Schmerzen und Kaffeeflecken auf Umschlägen.
Manchmal trifft man den Fotografen Volker Renner und will gerade wissen, wie es mit dem aktuellen Buch läuft, da hält er einem schon wieder ein Neues unter die Nase. Es gibt nicht viele andere Fotografen, die in den letzten Jahren so viele und so völlig unterschiedliche Publikationen gemacht haben. Grund genug, sich für ein Gespräch zu verabreden. Als der Fotograf mir die Tür öffnet, entschuldigt er sich gleich. Es würde gerade ein wenig chaotisch zugehen. Soeben habe er zwei neue Bücher produziert, die jetzt auf Stapeln verteilt zum Versand bereitliegen. Die Wohnung von Volker Renner ist beherrscht von Büchern. Das ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass er seine Neuerscheinungen eintütet. Er sammelt auch mit Leidenschaft. Seine zusammengetragenen Fotobücher, die sich in Regalen quetschen, zeugen von Expertise. Sammler sind glückliche Menschen – Das Goethezitat trifft auf Volker Renner zu. Euphorisch zieht er während unseres Zusammentreffens Bücher aus seiner Bibliothek, um etwas Exemplarisches daran aufzuzeigen. Man kann sich wohl kaum einen geeigneteren Ort für ein Gespräch über Bücher und das Büchermachen vorstellen.
PHOTONEWS / Peter Lindhorst: Du scheinst von einer inneren Getriebenheit gesteuert, wenn es ums Büchermachen geht. Bist Du ein manischer Büchermacher?
Volker Renner: Manisch nicht. Ich fand aber die Ausführungen von Martin Parr bei einem Vortrag, den ich vor einiger Zeit besucht habe, interessant. Er sprach davon, wie das Büchersammeln bei ihm immer mehr zur Obsession wurde. Da hab ich mich in seinen Ausführungen wiedererkannt, sowohl beim Sammeln als auch beim Produzieren. Aus der Passion wird irgendwann etwas Obsessives. Ich treib mich immer selbst an. Wenn ich ein Projekt beendet habe, denke ich schon wieder an das nächste, nächste, nächste. Getrieben ist daher eine gute Beschreibung für mich.
Fangen wir mit Deiner Sammelleidenschaft von Fotobüchern an. Was ist das Motiv Deines Sammelns?
Ich sammle Fotobücher aus Leidenschaft und auch als Inspiration. Es gibt ein paar Bücher, von denen ich fest überzeugt bin, dass die einfach im Haus sein müssen. Aber thematisch bin ich nicht allzu sehr festgelegt. Ich schaue, was neu erscheint auf dem Markt. Was mich interessiert, kaufe ich dann leider auch viel zu häufig.
Hast Du Schmerzgrenzen, wenn es darum geht, bestimmte Bücher zu erwerben?
„Every Building on a Sunset Strip“ von Ed Ruscha war durchaus eine Grenzerfahrung. Ich hatte es in einem Antiquariat entdeckt und konnte mich dann mit dem Antiquar auf Ratenzahlung einigen. Ein schöner Schmerz!
Was bedeutet das Büchermachen konkret für Dich? Ist es das Ende eines künstlerischen Prozesses, der somit eine befriedigende Form erfährt?
Für mich bedeutet es tatsächlich den Abschluss einer Arbeit. In der Wertung bildet ein Buch vielleicht einen noch schöneren Abschluss als eine Ausstellung. Die ist irgendwann abgehängt und dann eingelagert auf dem Dachboden. Ein Buch bleibt aber und zirkuliert. Man trifft ständig Leute, die einen danach fragen, was man macht. Ein Buch bildet da ein ideales Kommunikationsmittel.
Gibt es Künstler, die Dir als Vorbild beim Büchermachen dienen bzw. Dich inspirieren?
Natürlich Ed Ruscha, der schon früh sehr tolle Künstlerbücher in Eigenregie gemacht hat. Es gibt Künstler, auf die ich im Studium aufmerksam wurde. Hans-Peter Feldmann, John Baldessari und Martin Kippenberger. Alles Künstler, die immer mit Büchern und auch mit Fotografie experimentiert haben und die ich sehr interessant fand in ihrem Ansatz.
Du selbst hast schon erstaunlich viele Bücher publiziert. Wie und wann begann das?
Na, so viele sind das ja noch gar nicht. Es sind jetzt 9 Bücher und nächstes Jahr sind drei geplant, dann hätte ich ein Dutzend voll. Das ist mein Plan! Aber mal sehen, es ist eine Frage meiner Finanzierungsmöglichkeiten. Dafür Geld zu generieren, bedarf es einiger Kreativität.
„Eben war noch“ erschien 2007 nach meinem Diplom an der HFBK anlässlich der Ausstellung im Raum für Photographie in Hamburg. Bei der Produktion ging noch einiges schief, gerade was das Farbmanagement angeht – aber so ist es eben beim ersten Mal. Aber es war meine erste Erfahrung mit dem Büchermachen. Das hat mich sofort gepackt!
Es hat Dich so gepackt, dass Du nicht lange mit Deinem zweiten und dritten Buch gewartet hast...
Es folgte „Wie war Las Vegas“, mein Abschluss als Meisterschüler bei Peter Piller an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Das Buch erschien im Salon Verlag zur Ausstellung bei Robert Morat in Hamburg. Ich habe Las Vegas in 5 Wochen am Stück durch- und umwandert, ein zweiter Besuch folgte ein Jahr später und aus dem Material entstand dann das Buch. Es ist eine Serie mit zugeschütteten Motel-Swimmingpools, mit Reflexionen der Fassade des Circus Circus, Absurditäten, Zurückgelassenem, Echtem und Falschem.
Das dritte Buch „A Road Trip Redone“ erschien im Textem Verlag. Darin geht es um eine Geste der Nachahmung, bei der ich fotografische Orte, die einst Stephen Shore aufgesucht hatte, ausfindig zu machen versuchte und diese dann erneut fotografiert habe. Es stand die Idee dahinter, nicht nur inhaltlich ähnlich zu arbeiten, sondern die gleiche Typografie, den gleichen Einband, die gleiche Größe etc. zu benutzen. Während es bei Shore damals eine limitierte Auflage von 3300 Exemplaren gab, bestand meine aus 330 Exemplaren.
Wie bist Du genau zu Deinem jetzigen Stammverlag Textem gekommen, der doch eigentlich ganz andere Titel im Programm hat?
Nora Sdun und Gustav Mechlenburg kannte ich schon eine Weile über die Hochschule und über Ausstellungen und den Textem Verlag über das dort erscheinende Magazin „Kultur & Gespenster.“ Christoph Steinegger macht die Grafik für das Magazin und mit ihm habe ich „A Road Trip Redone“ entworfen. Das war eine tolle Kooperation und seitdem arbeiten wir an jedem Buch zusammen. Das Büchermachen hat durch ihn und die anderen beiden auch noch mal eine andere Bedeutung für mich gewonnen. Welche Materialien kann ich nutzen? Was kann man zwischen den Buchdeckeln alles ausprobieren? Zusammen gehen wir immer noch einen Schritt weiter und experimentieren, um das Potential eines Buchs voll auszuschöpfen.
Wie viel Arbeit steckt für Dich in einem Buch? Dadurch, dass Du ständig neu produzierst, denkt man unweigerlich, es sei so einfach und leicht!
Das täuscht dann vielleicht etwas, die Bücher erscheinen ja nie im Jahr der Entstehung. Ich benötige doch immer ein Jahr oder länger pro Buch – da ich ja auch für die meisten Projekte auf Film arbeite, kommt noch ein erheblicher Zusatzaufwand hinzu. Das Scannen, Entflecken, die Farbkorrektur etc. , da geht dann doch einiges an Zeit ins Land.
Waren „A Road Trip Redone“ oder der Vorgänger „Wie war Las Vegas“ kommerziell erfolgreich?
Es gab schon Aufmerksamkeit, Besprechungen, eine Nominierung zum Photobook Award, aber letztendlich kommt da finanziell nichts bei rum. Bei einer kleinen Auflage und einer aufwendigen Produktion der Bücher ist da auch nicht wirklich dran zu denken. Es geht mir mehr um die Realisierung eines Buches als um kommerziellen Erfolg. Und es gibt ja mittlerweile auch schon einen festen Stamm an Käufern und somit Unterstützern, die dazu beitragen, dass es mit den Druckkosten nicht ganz so schmerzhaft wird.
Welche Motive hat Textem, so treu an Dir festzuhalten? Deine Titel erscheinen nicht in Riesenauflage. Die Verkäufe bleiben daher überschaubar und tragen nicht unbedingt zur Konsolidierung des Verlags bei.
Idealismus und Freundschaft. Eine tolle Kombination.
Finanziert der Verlag Deine Bücher anteilig?
Textem unterstützt mich sehr gut bei der Produktion. Aber die Finanzierung erfolgt in Eigenregie. Ich hab angefangen, Editionen im Vorfeld anzubieten. Crowdfunding- Plattformen funktionierten da bei mir weniger, eher der direkte Kontakt über Freunde und Bekannte. Der erste Versuch war eine Box mit 4 Büchern und einem 24 x 30 cm-Print – die Box gab es zum Subskriptionspreis von 100 € und es fanden sich gleich 70 spontane Besteller. Das hilft schon mal sehr bei der ersten Überweisung an die Druckerei.
„Schwebende Rahmung“, „Die Kunst der Fuge“, „Die Anderen“, „Der große Preis“ - Du hast gleich vier neue Bücher auf einen Schlag herausgebracht. Macht man sich da nicht selbst unnötig Konkurrenz?
Das Paket entstand mehr aus einem Zufall, ich habe Christoph Steinegger vier verschiedene Buchdummys gegeben und eigentlich damit gerechnet, dass er sich das Projekt, welches ihn am meisten interessierte, auswählen würde. Einige Wochen später kam sein Anruf und es gab 4 fast druckfertige Bücher. Da entstanden dann auch die Subskriptionsidee und der Wunsch, alle gleichzeitig zu drucken. Über Konkurrenz der Titel habe ich gar nicht viel nachgedacht.
Der Preis ist sehr moderat für ein Paket mit vier Büchern!
Die Leute haben den Normalpreis für die vier Bücher bezahlt und als Zugabe eben den Print erhalten. Ich kenne mich ja selbst als Bücherkäufer. Oft denke ich: Diese Edition hättest du gerne, aber die kostet dann 250 Euro oder 400 Euro. Ich wollte, dass auch Leute sich das Paket noch leisten können, die nicht über endlose Geldressourcen verfügen und in der Regel keine teuren Fotobücher kaufen. Viele haben bei dem Preis zugesagt. Das habe ich jetzt auch bei meinem neuesten Paket wiederholt. Zwar sind es dieses Mal nur zwei Bücher, aber sie sind dafür umfangreicher und von der Produktion aufwändiger, und es gibt wieder ein Foto dazu.
Wie war die Resonanz darauf?
Einige Leute haben gleich gesagt, sie wollen wieder dabei sein und ihre Sammlung komplettieren. Anderen wurde es zu viel. Noch sind es nicht so viele wie beim letzten Mal, aber es kommen immer wieder Bestellungen herein.
Wirst Du auch bei Buchhandlungen als Anbieter vorstellig?
Ich geh zu den einschlägigen Buchhandlungen, in Hamburg oder Berlin - oder wenn ich irgendwo international unterwegs bin. 25 Books, Haus der Photographie in Hamburg oder Yvon Lambert, Le Bal und Colette in Paris. Colette hat mit mir ein Booksigning während der letzten Paris Photo organisiert. Bruce Weber, der gleichzeitig da war, hatte mehr zu tun, aber es wanderte von jedem meiner beiden neuen Bücher ein beachtlicher Stapel an meinem Kugelschreiber vorbei.
Gehst Du auch auf Veranstaltungen und promotest dort Deine Bücher?
Dorthin gehe ich schon, aber ohne eigenen Stand ist es mit dem Promoten schwierig. Eigentlich wollte ich letztes Jahr auf der Offprint Paris einen Stand mieten, was leider überhaupt nicht klappte. Ich hab dann alternativ eine Buchladentour durch die Stadt gemacht. Auf der Messe spreche ich Leute eher nicht an. Die sind bei dem Überangebot schon überfordert. Es ist besser, Kontakte zu sammeln und hinterher in Ruhe Infos zu schicken. Da kommt mehr bei raus.
Welche Auflagenhöhen haben Deine Bücher? Ist schon eines ausverkauft?
Bis auf das angesprochene Stephen Shore Buch sind es immer 500er Auflagen. Vom „Wie war Las Vegas“ und dem Shore-Buch gibt es nur noch ein paar Exemplare. Bei den anderen Büchern gibt es noch keinen Engpass – die sind beim Vertrieb und auf meinem Dachboden. Karton auf Karton.
Hast Du mal versucht, in einem der großen, renommierten Verlage unterzukommen?
Nein, denn ich finde die Freiheit, zwischen Buchdeckeln das machen zu können, was man vorhat, großartig. Bei meinem letzten Buch sind Kaffeeflecken und Zigarrenasche mit Vorsatz auf dem Cover verteilt. Mich nervt schon, dass bei vielen Büchern ein Barcode auf dem Cover sein muss. Ich genieße es beim Büchermachen, wenn ich Konventionen aushebeln und einfach etwas ausprobieren kann, ohne dass einer hinter mir steht und mich bremst. Bei Textem treffe ich auf Leute, mit denen ich meine Ideen frei umsetzen kann. Ich hatte z. B. Christoph die Mappe meines neuen Buchprojekts mit einem aufgeklebten Post-it in die Hand gedrückt. Er hatte daraufhin die Idee, diesen Post-It ins Layout einzubauen. Am Ende haben wir rumgesponnen, wie es wäre, gleich auf jedes einzelne Buch einen Zettel zu kleben, statt diesen nur im Buch zu reproduzieren. Und tatsächlich ist auf dem endgültigen Buch „Long Time No See“ dieser Post-it als Titelersatz gelandet.
Bei dem Columbo-Buch „Sleep Tight“ haben wir auch experimentiert. Wir dachten an einen Umschlag, der den speckigen Trenchcoat des Inspektors nachempfindet. Dann assoziierten wir: der raucht Zigarre, trinkt Kaffee und wir kamen auf die Idee, das Cover absichtlich mit Flecken zu versehen.
Eine halsbrecherische Idee - das Cover mit Vorsatz zu verdrecken!
Als die Bücher bei der Auslieferung eingelagert wurden, kam gleich ein Anruf, was damit passiert sei. Ich war beim Buchbinder, bevor die Exemplare eingeschweißt wurden und hab da zwei Tage die Bücher mit Flecken versehen. Die Leute dort waren etwas irritiert! Ich hatte mehrere 1,5-Liter-Flaschen mit eingekochtem Kaffee dabei, Zigarrenasche, Kugelschreiber und Vaseline, um die Buchrücken so zu bearbeiten, dass sie speckig wirken. Das kommt da nicht alle Tage vor und sorgte nach anfänglicher Skepsis doch für großes Interesse. Durch die Verschmutzung ist jedes Buch zum Unikat geworden. Die 500 handgeschriebenen Post-it-Zettel auf meinem anderen neuen Buch „Long Time No See“ waren fast eine leichte Übung dagegen.
Bleiben wir noch bei „Sleep Tight“? Wie funktioniert der Inhalt?
Es fing damit an, dass ich über eine längere Zeit immer vorm Schlafen Videofolgen von „Columbo“ geschaut habe. Im besten Fall hab ich gerade noch den Mord miterlebt, um dann wegzudämmern. Es geschah oft, dass ich mehr als eine Woche für eine Folge brauchte. Am Schluss wusste ich schon gar nicht mehr, wer welche Person war und wer wen ermordet hat. Also habe ich irgendwann beschlossen, die ganzen Folgen mal tagsüber zu schauen. Es ergab sich daraus die Idee, genau den Moment vom Bildschirm ab zu fotografieren, als das Indiz zur Überführung des Mordes gezeigt wird: ein zurückgelassenes Streichholz, eine Perle auf einem roten Teppich oder die falsch zugeschnürten Turnschuhe des Toten. Bei mir gibt es fast nie Texte in Büchern. Hier allerdings schon. Der kurze Text erzählt davon, wie ich versuche, die Folgen zu sehen und dabei eben einschlafe. Er fängt in großen Lettern an und wird immer kleiner und läuft dann irgendwann aus. „Sleep Tight“ bezieht sich auf meinen Schlaf, aber natürlich auch auf die Toten, die endlos schlafen.
Ist das Buch eine Essenz Deines künstlerischen Arbeitens, nämlich kleine Details aufzuspüren, die erst mal unwichtig erscheinen und leicht übersehen werden?
Ich habe gerade für eine Ausstellung Bilder aus den beiden neuen Serien kombiniert. Immer 5 Indizien-Bilder, in denen dann ein Bild aus „Long Time No See“ untergemischt ist. Zwar wird in der Zusammenstellung sofort erkennbar, ob ich etwas vom Monitor abfotografiert oder mit Mittelformat auf Film fotografiert habe. In „Long Time No See“ gibt es z. B. eine Arbeit mit einer abgebildeten Bibel, bei der man auf dem Umschlag den Rand eines abgestellten Wasserglases sieht. Das könnte genauso gut ein Indiz aus einer Columbo-Folge sein. In „Long Time No See“ findet man noch eine ganze Reihe anderer Bilder, die eigenartige Spuren enthalten und auf frühere Ereignisse verweisen. Das sind Sujets, die mich vor allem interessieren. Meine Vorgehensweise ist allgemein von der Suche nach bestimmten unbeachteten Details gekennzeichnet.
Warum kommen eigentlich bei Dir keine Menschen vor?
Eigentlich kommen bei mir ausschließlich Menschen vor, nur sieht man diese nicht. Im Prinzip sind immer zurückgelassene Dinge zu erkennen, Hinterlassenschaften oder Konstruktionen, bei denen man sich fragt, wer kommt auf solche Ideen. Es ist alles von Mensch gemacht, was zu sehen ist.
Kommen wir zu „Long Time No See“. Wie ist das Projekt entstanden?
Dazu kehre ich noch einmal zum Stephen Shore-Buch zurück, bei der mir die Motive extrem vorgegeben waren. Es war wie eine Pilgerfahrt „ Auf den Spuren von...“. Ich wusste, ich musste zu bestimmten Plätzen, um dieses oder jenes Bild zu machen. Aber dies waren ja nicht meine eigenen Motive. Und so kam es zu zwei weiteren Projekten, die während dieser Reise ihren Anfang genommen haben: Einmal „Schwebende Rahmung“ als streng serielle Sammlung von Werbeschildern, die ihrer ursprünglichen Funktion beraubt sind. Und die ersten Bilder für „Long Time No See“, die meine eigenen Motiven darstellten auf dem US-Trip von Ost nach West und von West nach Ost. Um beide Serien abzuschließen, bin ich ein Jahr später ein weiteres mal dorthin gereist, ohne vorgegebene Route von Miami nach Los Angeles, und habe neben den Schildern weitere Motive für „Long Time No See“ gesammelt. Einige Motive ziehen sich durch das Buch, etwa Palmen oder Moteldecken auf dem Fußboden, andere haben keine serielle Anbindung.
Es scheint so, als wärst Du gut darin, Dinge zusammenzufassen, parallele Konzepte zu entwickeln und diese gleichzeitig umzusetzen?
Mein Diplomprojekt begann damit, dass ich einen Job machte, bei dem ich ziemlich viel in Deutschland unterwegs war. Ich hatte den Auftrag, Adressen für eine Bilddatenbank zu fotografieren und hab das genutzt, um nebenbei von der Straße herunterzufahren und meine eigenen Bilder zu machen. Das Buch „Der große Preis“ ist ein weiteres Beispiel. Ich hatte den Auftrag, den Eurovision Song Contest in Düsseldorf zu dokumentieren, jede Probe, jedes Ereignis, das um die Riesenveranstaltung herum stattfand. Nachher habe ich für mich ein eigenes Extrakt erstellt, bei dem man nur die Hände der teilnehmenden Protagonisten sieht. Ich kann gut so arbeiten, dass Projekte gleichzeitig und nebeneinander entstehen. So kommt es dann auch zu mehreren Büchern.
Kriegst Du die Balance zwischen kommerzieller Arbeit und Deinen freien Projekten hin?
Da aus der Lohnarbeit ja auch häufiger Projekte entstehen, wie „Der Große Preis“ oder das Buch „Die Fuge“, bei dem ich als Setfotograf für einen Film in Paris tätig war und während der Drehpausen fotografierte, bin ich allen Aufträgen gegenüber immer aufgeschlossen. Manchmal denke ich auch nur: Augen zu und durch, denn das nächste Buch wartet schon.
Bisher wirst Du jedenfalls nicht müde, Bücher zu machen?
Ein Buch ist eine großartige Möglichkeit, Fotos zu komponieren. Man hat wiederkehrende Momente, Sequenzen, die man rauslösen kann, einen eigenen Rhythmus, den man erschaffen kann. Mein Editing für ein Buch ist immer sehr ausgedehnt, bei dem ich zunächst 24 x 30 – Prints erstelle und die anschließend auf dem Boden auslege. Ich mache mir Bahnen von Bildern, an denen ich längs laufe und dann stelle ich diese ständig um. Anschließend kommen die in eine Mappe, in der ich blättern kann. Danach lege ich die Bilder bestimmt noch zwei, drei Mal aus und ändere immer wieder Abfolgen. Es steckt schon eine Menge Arbeit drin. Aber es macht mir nach wie vor Spaß. Und gerade bin ich damit beschäftigt, das nächste Buch zu konzipieren!
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