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Immer mehr fotografische Bücher, Magazine, Ausstellungen und spezielle Projekte werden mit Hilfe von Crowdfunding realisiert. Dieser Blog stellt Projekte vor und ermöglicht einen lebendigen Austausch. Wir wünschen uns rege Beteiligung! Informieren Sie uns gerne über Ihr Crowdfunding-Projekt.
Mach dir ein Bild. Marie Köhler erzählt über ihre StartNext-Kampagne
Unser Bild von Afrika ist geprägt von den Blicken westlicher Beobachter. Kriege und Krisen dominieren. Diesen Blicken setzt die 1981 geborene Fotografin Marie Köhler seit 2013 unter dem Motto „Mach dir ein Bild“ Fotografien entgegen, die Kinder vor Ort selbst aufnehmen. Nach einem ersten Projekt in Burkina Faso, im Operndorf von Christoph Schlingensief, arbeitete sie 2014 mit Kindern in Ruanda. In Workshops wurden notwendige Fähigkeiten vermittelt. Ganz im Sinne eines künstlerischen Dialogs erhielten Kinder und Jugendliche dann die Möglichkeit, sich und ihr Umfeld subjektiv zu fotografieren. Die Ergebnisse werden in Ausstellungen und Büchern vorgestellt. Für die Arbeit in Ruanda startete Marie Köhler zusammen mit ihrem Team im Sommer 2014 eine Kampagne bei StartNext. Im nachfolgenden Interview schildert sie ihre Crowdfunding-Erfahrungen.
Anna Gripp/Photonews: Warum haben Sie sich bei der Kampagne “Mach Dir ein Bild - Neue Bilder von Afrika” für die Crowdfunding Plattform StartNext entschieden?
Marie Köhler: StartNext bietet eine Plattform für Projekte wie dieses. „Mach dir ein Bild“ ist nicht ein Projekt, das sich einfach greifen lässt. Weder ist es ein Hilfsprojekt, noch ein reines Kunstprojekt. „Mach dir ein Bild“ bedient somit nicht einfach mal eben eine Sparte. Fördermittel zu beantragen, Spenden zu sammeln, ist nicht ganz einfach. Bei StartNext hat man die Möglichkeit, sein Projekt vorzustellen, unabhängig davon, ob es irgendwelchen Förderrichtlinien oder Denkmustern Einzelner entspricht.
StartNext bietet auf Wunsch eine Projektberatung an, die 160 Euro kostet. Haben Sie diese in Anspruch genommen?
Das haben wir nicht gemacht, was sich aber nach meiner Erfahrung im Nachhinein wirklich lohnen könnte. Eine Crowdfunding-Kampagne anzulegen, ist nicht mal eben gemacht, man muss wirklich vieles bedenken, zumal es sich jetzt bei uns nicht um eine kleine Summe handelt. Fragen wie: Steuern, Abrechnung, Leistungen und Gegenleistungen, Umfang von Video und Texten, Blog, Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr, eröffnen ein sehr breites Feld, auf dem eine beratende Unterstützung von Menschen, die Ahnung haben, sehr hilfreich sein kann.
Jedoch haben uns die Macher von StartNext während der Kampagne bei wichtigen Fragen immer unterstützt, was uns eine große Hilfe war.
Ihr 2013 erschienenes Buch “Mach dir ein Bild. Fotoarbeiten von den Kindern aus dem Christoph Schlingensief Operndorf Afrika Burkina Faso” hatte viel Resonanz in den Medien und war ein schöner Erfolg. Gab es damit von vornherein genug Fans für das neue “Mach dir ein Bild”-Projekt in Ruanda?
Ja, genug Fans gab es dadurch zum Glück, so dass wir den Mut hatten, so eine Kampagne auf StartNext für die Weiterführung des Projekts in Ruanda anzugehen. Man fängt nicht ganz bei Null an. Ich muss aber dazu sagen, dass es ein sehr großer Kampf war und viel Zeit und Arbeit gekostet hat, diese Kampagne zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, trotz unserer Kontakte und Fans.
Dann war zumindest die bei Startnext geforderte Registrierung von einer ausreichenden Anzahl von Fans kein Problem. Aber warum war die Kampagne “ein großer Kampf”? Welche Erklärungen haben Sie dafür?
Als die Kampagne anlief, war ich noch in Ruanda. Wir hatten uns damals sehr genau überlegt, wie und wann wir welche Informationen versenden, um genügend Aufmerksamkeit zu erlangen. An die Hürde der schlechten Internetverbindung dachten wir nicht. So war es uns nicht möglich, in der ersten Zeit unser so schön angelegtes Netzwerk regelmäßig zu erreichen.
Zurück in Deutschland waren noch zwei Wochen Zeit, bis die Kampagne zu Ende gehen sollte, und der Finanzierungsstand lag bei 1.775 Euro von 15. 000 Euro. Mit Freunden und Unterstützern setzte ich mich dann zusammen, um zu überlegen, wie das jetzt noch machbar ist. Wir haben uns entschieden, gemeinsam der Sache den Kampf anzusagen. Jede erdenkliche Strategie wurde ausprobiert, nicht nur E-Mails wurden versandt, sondern rund um die Uhr wurde telefoniert, wurden Interviews gegeben, Menschen angesprochen. Auf Facebook erinnerte zur besten Tageszeit jeden Tag ein Aufruf an die laufende Kampagne. Der Helferkreis wuchs jeden Tag, die Motivation, die Kampagne in so kurzer Zeit doch noch zu gewinnen, stieg ins Unermessliche, der Stress natürlich aber mit. Ich hatte irgendwann das Gefühl, das wir alle nicht mehr schlafen. Im Nachhinein kann ich mich an die zwei Wochen kaum noch erinnern. Es war wie ein Rauschzustand.
Lässt sich beziffern, wie viel Zeit und Geld (z.B. für die Dankeschöns) erforderlich war, um die Summe von 15.111 Euro zu erreichen?
Beim ersten Mal ist der Zeitaufwand natürlich sehr groß. Sich in die Kampagne einzuarbeiten, das Video zu drehen, ein ordentliches Netzwerk aufzubauen, kostet viel Zeit. Ich würde sagen, dass man für die Vorbereitung insgesamt ca. 100-150 Arbeitsstunden aufwenden muss. Als die Kampagne dann los ging, stiegen die Arbeitsstunden ins Unermessliche. Hier kann ich nur meine eigenen Stunden angeben, da ich irgendwann nicht mehr wusste, wer wie viel Zeit aufgewendet hat, um für die Kampagne mitzukämpfen. Bei mir und meinen zwei Projektpartnern waren es zusammen mindestens 300 Stunden. Ja und dann kommen noch die Stunden dazu, in denen man die Dankeschöns produziert, da habe ich aufgehört, an die Zeit oder den Aufwand zu denken, wir sind damit auch noch nicht ganz fertig.
Würden Sie nach diesen Erfahrungen erneut eine Crowdfunding-Kampagne starten?
Als eine halbe Stunde vor dem Ende der Kampagne das Geld zusammen war, habe ich mir geschworen das niemals wieder zu machen. Mein Gehirn war vollkommen leer gefegt. Jetzt, mit einem kleinen Abstand, war es eine gute Möglichkeit, so ein Projektvorhaben wie das unsere zu verwirklichen. Und man lernt eine Menge und weiß beim nächsten Mal, wie man wo Zeit einsparen kann. Damals habe ich mir zwei Tage später die Zeit genommen, ganz genau zu dokumentieren, was gut und was schlecht lief, so dass ich beim nächsten Mal, sollte es das geben, etwas mehr abgesichert bin. Im Großen und Ganzen war es für uns und das Projekt ein Erfolg, den ich nicht missen möchte. Ich bin immer noch überwältigt von der Flut an Menschen, die sich haben begeistern lassen, das Projekt „Mach dir ein Bild“ zu unterstützen. Viele neue, schöne Kontakte und Austauschmöglichkeiten haben sich dadurch ergeben. Und unser zweiter Bildband geht dadurch nächste Woche in den Druck.
Wird das neue Buch wieder im Kettler Verlag erscheinen? Waren die 15.000 Euro vor allem nötig, um das Buch zu einem günstigen Preis anbieten zu können?
Der neue Bildband wird wieder im Kettler Verlag erscheinen. Nur ein kleiner Teil der 15.000 Euro fließt in die Buchproduktion.
Man sollte auch niemals vergessen, dass bei einer solchen Kampagne natürlich Steuern bezahlt werden müssen. Nach Abzug der Steuern und der Gebühren für die Onlineüberweisungen geht ein kleiner Teil in die Buchproduktion, ein weiterer Teil in die Ausstellungsproduktion, die Mitte November in Ruanda eröffnet wird, und der wichtigste Teil geht in die Verstetigung des Projektes vor Ort, so dass die Kinder weitermachen können. Das Auswärtige Amt fördert einen Teil der Buchproduktion, ein Teil kommt über die StartNext-Kampagne und den großen Rest sponsert der Verlag Kettler, der seit zwei Jahren unser Projektpartner ist. Somit schaffen wir es zum Glück, das Buch wieder für günstige 29,90 Euro anbieten zu können. Man kann es auf unserer Internetseite: www.machdireinbild.com auch schon vorbestellen.
Auf der Website www.machdireinbild.com wird weiter zur Förderung des Projektes aufgerufen. Und mit gewichtigen Schirmherren wie Michelle und Franz Müntefering, der Deutschen und Ruandischen UNESCO-Kommission sowie dem Goethe Institut als Kooperationspartner scheinen doch die Chancen gut zu stehen, dass sich noch mehr Menschen beteiligen.Können Sie mit “Mach Dir ein Bild” eigentlich Spendenquittungen ausstellen?
Wir sind wirklich sehr froh, dass uns so viele großartige Menschen unterstützen und immer mehr dazu kommen. Alleine würde ich so ein Projekt nicht schaffen. Und letztendlich ist es auch genau das, was mich in diesem Projekt immer wieder umhaut. Dass Menschen begeistert sind von einer Sache und Motivation und Herzblut mit einbringen, sodass etwas Wunderbares entstehen kann. Jeder kann mitmachen, jeder kann sich auf seine Weise beteiligen. Das Projekt geht im nächsten Jahr in die nächste Runde. Momentan ist Sambia ganz oben auf der Liste. Wir brauchen also wieder viele Unterstützer. Neben Kameras natürlich auch die finanziellen Mittel, um die wir jeden Tag kämpfen. Auf unserer Internetseite kann man das Projekt finanziell unterstützen. Das ist dann eine Unterstützungsleistung. Darüber gibt es von uns auch eine Bescheinigung. Dies ist allerdings keine Spendenquittung, da wir noch keine gemeinnützige Organisation sind, da arbeiten wir aber dran.
Links: www.startnext.de/machdireinbild www.machdireinbild.com
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