Informationen zu Aktuell
Hier finden Sie Hinweise zu aktuellen Veranstaltungen, die uns nach Redaktionsschluss erreicht haben sowie Ergänzungen (Nachschlag) zur jeweils aktuellen PHOTONEWS Ausgabe.
Nachschlag
Nach Redaktionsschluss
Debatte in Photonews: Kunst und Fotografie
Dieter Zinn: Fotokunst – Vorführung der Verführung
Ist Fotografie Kunst? Klaus Elle hat diese Frage weit geöffnet, ohne darauf mit den üblichen Antworten einzugehen. Bravo! Emotional, persönlich und mit intellektuellem Tiefgang lotet er dieses ewig kontroverse Thema aus. Danke für diesen erhellenden Text, geschrieben mit frischem Kopf und einer Sprachkraft, die Geist und Bildung aufblitzen lässt und der Bereitschaft sich emotional zu zeigen. Diese geniale Gabe ist in der Kunsttheorie nur noch selten zu finden. Klaus Elle ist zu sehr Künstler um Philosoph zu sein und zu sehr Philosoph um Künstler zu sein. Dabei geht es ihm darum, dass Fotokunst unser Sehen und Bewusstsein erweitern kann, wenn sie uns berührt und nicht versucht, sich selbst zu erklären. Durch den direkten Bezug fotografischer Bilder zur Wirklichkeit verhält sich die Fotokunst zur Gebrauchsfotografie, wie das Heilige zum Profanen. Um als Kunst erkannt und gewürdigt zu werden, erhält sie ihre Wertigkeit im Kontext von Galerien, Museen, Büchern und bildgebenden Medien. Bildstrategien und deren Präsentationsformen tun ein Übriges, um künstlerische Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Zitat Klaus Elle: „scheinbar zählt nur noch der unbedingte Wille, das eigene Tun als künstlerischen Akt zu begreifen“. Fotokunst hat, wie jede andere Kunstform, kein Wozu. Ausgenommen die Art Fotokunst, die marktgerechte Erwartungen erfüllen will und sich als Karrierekunst an der Popkultur, also dem, was populär ist, orientiert. Doch was populär ist, erscheint selten originell und schafft sich selbst nach einer gewissen Zeit, durch vulgäre Anmaßungen, wieder ab.
Klaus Elles Vorschlag, „maßgeschneiderte Relevanzkriterien zu entwickeln“ würde manch konzeptionelles Dogma auf ursächliche Positionen zurückführen. Sonst bleibt es bei dem seit Jahren üblichen Jargon in der als Kunst deklarierten Fotografie. Fotokunst, für die erst ein Jargon erlernt werden muss, um sie für „wahr“ zu nehmen, basiert oft auf dogmatischen Vorgaben der Künstler. Diese müssen von den Betrachtern hinterfragt werden. Antworten darauf machen deutlich, ob es um Erotik oder um Geilheit der Oberflächen geht. Ob es um Bilder geht, die von dem jeweiligen Ort der Präsentation bestimmt werden. Oder ob die abgebildeten Orte auf den Bildern die Präsentation bestimmen.
Ich kann Klaus Elle nur zustimmen, wenn er von einem „ästhetischen Baumarkt der Möglichkeiten“ spricht. Viele künstlerisch angelegte Fotoarbeiten werden erst in der Präsentation serieller Sehweisen nachvollziehbar: geplante Farbgebungen, sich wiederholende Formen, ausgewählte Licht-Verhältnisse, sich wiederholende Sujets, Techniken, Perspektiven und Kamerapositionen. Mit diesen Werkzeugen können Bildsprachen entstehen, die sichtbar werden in der gegenseitigen Bezugnahme der Fotografien, im Kontext der jeweiligen Präsentation.
In diesen nicht überschaubaren Variationen fotografischer Bildsprachen besteht die Gefahr von Behauptungen, die davon ausgehen, dass die Betrachter Anspruch, Inhalt und Darstellungsform der Fotokünstler als logisch akzeptieren. Mit einer Logik, deren sprachliche und symbolische Vereinbarungen jede Form der Bildkommunikation erst ermöglichen. „Jedes Bild ist auch ein logisches“, schreibt Ludwig Wittgenstein und ergänzt dazu, dass wir von einer unlogischen Welt nicht sagen können, wie sie aussieht. Das gilt auch für die Kunst, selbst dann, wenn sie nur ein Gefühl darstellen will.
Klaus Elle „vermisst vielfach geistige Exerzitien in der konzeptuellen Fotografie“. Hier trifft er mitten in das zentrale Thema zeitgenössischer Fotografie. Es fehlt an „geistigen Exerzitien“.
Innovative Bildsprachen der Fotokunst werden, von erstklassigen Ausnahmen abgesehen, durch Ingenieure geleistet, die dem Markt und der Kunst neue Bildtechniken zur Verfügung stellen. Künstler, die mit fotografischen Medien ihre Themen umsetzen, versuchen durch komplexe Sehweisen und Techniken, Sujets in vorgedachte Wirklichkeiten zu transformieren, die allerdings erst durch deutlich (konstruierte) erkennbare Bildsprachen gelesen und nachvollziehbar werden. Das thematische Konzept der jeweiligen Bildsprache basiert auf dem selektiven, bzw. eingeschränkten Blick, und der aufwändigen technischen Nachbearbeitung. In Abwandlung eines Zitates von George Bataille lässt sich grundsätzlich fragen: Wie können wir bei einer Fotoarbeit ausharren, von der wir spüren, dass sein Autor nicht gezwungen war, sie zu machen? Es geht in der Fotokunst doch darum, das Bilder aus innerer Notwendigkeit und einem darauf basierenden Konzept und entstanden sind. Dem stehen die zunehmenden Verfügbarkeiten digitaler Bildmittel und deren tägliche Nutzung im Weg. Sie erleichtern den massenhaften Gebrauch fotografischer Bilder und behindern zugleich die Einschätzung der als Kunst präsentierten Fotografien. Deren Sehweisen zeigen sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen als gesellschaftskonform und angepasst. Ich verstehe Klaus Elle so, dass Kunst dann sichtbar wird, wenn sie berührt. Wenn wir spüren, dass ein Mensch etwas von sich, seinen Visionen, seinen Emotionen offenbart. Manche Passagen in Elles Text mögen pathetisch klingen, doch Pathos ist eine Sprache der inneren (seelischen) Spannung und stärkster Emotionen. Dass diese im aktuellen Kunstbetrieb der Fotografie nicht sehr angesagt sind, ist nicht das Problem von Klaus Elle. Probleme in den „Chimären“ der Fotokunst sehe ich mehr in ihrem konservativen Charakter. Wenn ich an großartige neue und beeindruckende Bilder aus elaborierten Bildentwicklungen der Fotografie, (Medizin, Astrophysik, Infrarot, Magnetresonanz, biometrische Verfahren u.a.) denke, überrascht mich eine Fotografie, die sich mit Bildmitteln der 1980er Jahre im Kunstkontext etablieren möchte. Hier präsentiert sich eine Fotografie deren Verschwinden sich, in künstlerisch angelegter Wertigkeit, bereits ankündigt um sich als Nischenprodukt selbst zu feiern.
Vielleicht kommt aus dieser Ahnung der Kunsthype mit Fotografien, wobei die Frage ob Fotografie auch als Kunst gelten kann, von mir nicht ernsthaft gestellt wird. Fotografische Moden, Sehweisen und Techniken, die veraltet sind, von der Daguerreotypie bis zum Polaroid-Bild kommen als Kunst ohnehin ins Museum bzw. auf den Kunstmarkt. Viele „veraltete“ Bilder erzielen unglaubliche Höchstpreise auf Auktionen. Ganz gleich ob historische Fotoarbeiten aus der Zeit des Piktoralismus, Arbeiten aus dem Genre der Dokumentar- und Reportagefotografie, um nur drei aus einer Vielzahl fotografischer Bildsprachen und deren Techniken zu nennen. Vielleicht hat Andy Warhol es hier auf den Punkt gebracht: “Art is what you can get away with“. (Kunst ist, was man sich erlauben kann). Vielleicht liegt hier die Ursache, dass Fotokunst immer öfter als Museumskunst zum Event wird. Übergroße Bildformate, komplexe Kontexte der Präsentation, beeindrucken Betrachter, die sich im Alltag in Bildern ihrer handlichen Hochglanzdisplays wiedererkennen wollen. Ungeachtet dessen, können sich innerhalb einer Präsentationsform reale Fiktionen der Fotokünstler mit den subjektiven Wirklichkeiten der Betrachter synchronisieren. Vorausgesetzt, diese haben genügend Bilderfahrungen, um ihnen zu folgen. ♦
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